Perfekte Überraschung
Am 3. März 2013 geschah in Baden, was kaum eine/r für möglich gehalten hatte: Das Ammann-Amt fiel erstmals nach über 60 Jahren in linke Hände. Weniger überraschend: Die FDP, stärkste Partei im Einwohnerrat, verlor ihren zweiten Sitz.
Auslöser war die – sich abzeichnende – Wahl von Stadtammann Stephan Attiger (FDP) in den Regierungsrat des Kantons Aargau und die damit einhergehende Ersatzwahl des Stadtammanns sowie notgedrungen eines Mitglieds des Stadtrats. Die FDP-Stadtpartei („mit Herz, Verstand und Badener Geist“) portierte den amtierenden Stadtrat Roger Huber als Stadtammann sowie den Vize-Präsidenten des Einwohnerrats, Peter Courvoisiser, als Stadtrat. Die CVP nominierte als Ammannkandidaten ihren Stadtrat Markus Schneider. Diesen hatte sie in weiser Voraussicht als Nachfolger des während der Legislatur zurückgetretenen Kurt Wiederkehr für diese Wahl in Stellung gebracht. Huber und Schneider signalisierten ihre Bereitschaft noch vor der Wahl Attigers in den Regierungsrat. Ende Oktober 2012 erfolgte die Nomination von Vizeammann und Nationalrat Geri Müller und schliesslich im November 2012 die Kandidatur von Ruth Müri. Als Ammann und um den Stadtratssitz kandidierten im Weiteren Sander Mallien (GLP), Stella Palino und Heinz Blaser. Nach dem ersten Wahlgang im Januar 2013 führte Müller die Stadtammann-Trojka mit 1629 Stimmen an. Auf Platz zwei lag Roger Huber mit 1495 Stimmen, dicht gefolgt von Markus Schneider mit 1409 Stimmen. Sander Mallien holte 109 Stimmen, Stella Palino kam auf 81 Stimmen, das Stadtoriginal Heinz Blaser erreichte 65 Stimmen. Bei der Stadtratsersatzwahl lagt Peter Courvoisier mit 1898 Stimmen knapp vor Ruth Müri mit 1882 Stimmen, gefolgt mit etwas Abstand von Sander Mallien (490 Stimmen), Stella (276 Stimmen) und Heinz Blaser (189 Stimmen).
Aus sechs mach zwei
Während die CVP noch am Wahlabend – zu recht – verlauten liess, Schneider sei der bürgerliche Kandidat mit dem grössten Potenzial, ging die FDP mit einer zwischen Schneider und Huber vertraulich abgeschlossenen Vereinbarung in die Presse, wonach derjenige, der weniger Stimmen erhält, im zweiten Wahlgang nicht mehr antrete. Die FDP setzte Schneider zudem medial unter Druck. Schneider zeigte sich enttäuscht, dass die Abmachung vorzeitig publik gemacht worden war, hielt aber Wort und zog sich zurück. Mallien, Stella und Blaser traten ebenfalls nicht mehr an.
Kampf mit harten Bandagen
Der Wahlkampf zum zweiten Wahlgang entlud sich fast zur Gesamtheit auf der Person von Geri Müller. Wurde im ersten Wahlgang noch Müllers Nationalratsmandat kritisiert, war es im zweiten Wahlgang dessen aussenpolitisches Engagement. Sowohl die Kritik als auch die (mehrheitlich kritisierende ) Medienberichterstattung der AZ erreichten mitunter ein durchaus fragwürdiges Niveau. So wurde etwa Müllers Familienleben öffentlich ausgebreitet. Oder Baden im Fall einer Wahl Müllers als Wallfahrtsort für [islamistische] Terroristen heraufbeschworen. Tatsächlich wurde Baden einzig Wallfahrtsort für Niveautiefflieger. Gekämpft wurde mit harten Bandagen. Und damit die Berichterstattung des Frühlings 2013 der Nachwelt erhalten bleibt, sammeln wir nachstehend gewissermassen das ‚Best of‘. Das Resultat des Duells fiel mit 34 Stimmen Unterschied äusserst knapp aus.
Deutlicher Entscheid für Müri
Der Stadtratswahlkampf präsentierte sich weit weniger aufgeregt. Zwar wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, diese Wahl sei nachgerade wichtiger als die Ammannwahl, entscheide sie doch über eine bürgerliche oder links-grüne Mehrheit und links-grün regierte Städte seien notorische Ausgabensünderinnen. Ehrlicherweise unternahm die bürgerliche Gegnerschaft aber nicht einmal den Versuch, zu erörtern, inwiefern Müri, die profilierte Geografin aus der Bankenwelt, in diesem Punkt etwas nicht im Griff haben sollte. Am Schluss erzielte Müri die meistem Stimmen in diesem Wahlkampf und errang der Sitz mit deutlichem Vorsprung.
Medienspiegel
Coming-out: Huber und Schneider wollen Ammann werden
vor dem 1. Wahlgang: Die Prognosen
1.Wahlgang: Die Analyse
Wahltaktik: Der Deal vom Roten Turm
Rechtfertigung I (CVP): Deal war nicht dumm
Rechtfertigung II (FDP): Warum der Deal publik wurde
Einer muss weg: Huber setzt Schneider unter Druck
Am Tag danach: FDP beklagt fehlende Unterstützung der CVP
Plötzlich aufgetaucht: Geri Müllers heikle Gäste im Bundeshaus
Harte Bandagen: Müller, Hamas und die Juden
Geri Müller