Die Anfänge: 1967-1973

„Es wird berichtet, dass die Zugehörigkeit zum Team für die Mitglieder wie für ihre Angehörigen gelegentlich zu gesellschaftlichen Belastungen führe.“

DasTeam 67 ist wie das Junge Bern eine regional begrenzte Gruppe; es ist nur innerhalb des Kantons Aargau beheimatet. Wie im Zusammenhang mit der Bildung freisinniger Erneuerungsgruppen bereits festgestellt worden ist, war es ursprünglich eine Art Vorhut der aargauischen FDP, die bei den Nationalratswahlen von 1967 junge Wähler mobilisieren und mit Hilfe einer Listenverbindung der Partei den Mandatsstand wahren sollte. Als dieses Ziel nicht erreicht wurde, entwickelte die im Wahlkampf mit ungewohnten Methoden aufgetretene Gruppe eine Eigengesetzlichkeit, die sie von der Mutterpartei wegführte. Die im wesentlichen formale, „technokratische“ Zielsetzung der Gründungszeit verschob sich nach links, und obwohl die Kennzeichnung „liberal“ nie aufgegeben wurde, näherte sich das Team der Sozialdemokratie an. Nachdem sowohl die Nationalratswahlen von 1971 wie die Gross- und Verfassungsratswahlen vom Frühjahr 1973 Rückschläge gebracht hatten, machten sich Tendenzen für eine Fusion mit der SP oder für eine Umwandlung zu einem überparteilichen Verein geltend, doch drangen diese nicht durch. Als neuer Schwerpunkt wurde die Lokalpolitik gewählt, wo sich das Team weiterhin als nonkonformistische Opposition betätigt und im Herbst 1973 auch einige Wahlerfolge geerntet hat.

 

1. Organisation

Das Team 67 gliedert sich in 8 Ortsgruppen, die sich über die städtisch-industrialisierte Zone des Kanton Aargau zwischen Aarau und Spreitenbach erstrecken, sowie in Sachgruppen. Durch eine Reorganisation im Jahre 1973 ist das lokale Element verstärkt worden, indem den Ortsgruppen für die Tätigkeit in ihrem Bereich Selbständigkeit zugesprochen wurde. Die Gesamtorganisation weist eine ähnliche Organstruktur auf wie andere kantonale Parteien; die Hauptorgane sind Mitgliederversammlung, Leitender Ausschuss und Geschäftsstelle. Die Mitgliederversammlung entscheidet über die politischen Ziele, die Teilnahme an Wahlen auf kantonaler und eidgenössischer Ebene sowie über die Höhe der individuellen Beiträge. Der Leitende Ausschuss setzt sich aus je einem Vertreter jeder Orts- und Fachgruppe, den kantonalen Parlamentariern sowie den Funktionären der Geschäftsstelle zusammen. Er ist einerseits Koordinations- und Informationsorgan, setzt aber anderseits die Schwerpunkte der politischen Tätigkeit. Die von einem Präsidenten geleitete fünfköpfige Geschäftsstelle wird von der Mitgliederversammlung gewählt und hat nur administrative und repräsentative Befugnisse. Während sich die Ortsgruppen selber organisieren – sie haben weder Vorstände noch eigentliche Präsidenten – wer­den die Fachgruppen vom Leitenden Ausschuss oder von der Mitgliederversammlung eingesetzt; sie sollen Konzepte erarbeiten und den Ortsgruppen Ideen liefern. Die Finanzierung geschieht zum Teil durch die Beiträge der Mitglieder und Sympathisanten. Mitglieder bezahlen 120 Franken im Jahr. Die regulären Beiträge gehen an die Gesamtorganisation, die den Ortsgruppen je nach Grösse der Gemeinde einen Teil zukommen lässt. Für die Deckung der Wahlkampfkosten ist das team 67 auf Sammlungen und Spenden angewiesen.
 

2. Mitglieder und Anhang

Die Mitgliederzahl betrug Ende 1973 rund 100. Altersgrenzen gibt es keine, doch hat nur ein Fünftel der Mitglieder das 35. Altersjahr überschritten; infolge jugendlichen Zuwachses in jüngster Zeit erreichen die unter 25jährigen etwa 40 Prozent. Die Gruppe wird also im Gegensatz zum Jungen Bern hauptsächlich von der jun­gen Generation getragen. Der weibliche Anteil beträgt rund 35 Prozent. Frauen fin­den sich auch in der Geschäftsstelle und unter den Delegierten der Orts- und Fachgruppen. Die Mitglieder, die ein Hochschulstudium abgeschlossen haben oder noch darin stehen, erreichen etwa 45 Prozent. Das Team 67 kennt neben der Mitgliedschaft auch einen formellen Sympathisantenstatus. Sympathisanten verpflichten sich zu einem bestimmten Beitrag von mindestens 30 Franken pro Jahr und besitzen beratendes Stimmrecht an der Mitgliederversammlung.
 

3. Standort und Ziele

Das Team 67 hat wiederholt Ziele und Programme formuliert. In der Gründungsperiode beschränkte es sich hauptsächlich auf Strukturfragen der Staatsorganisation. Um den Staat leistungsfähig zu machen und den Erfordernissen der Zeit anzupassen, verlangte es für den Bund und die Kantone einerseits die Aufstellung von Regierungsprogrammen für die Legislaturperiode, die Bildung von Beraterstäben für Regierungen und Parlamentsfraktionen, den Aufbau von Datenbanken und die Veranstaltung von Hearings, anderseits eine vermehrte Öffentlichkeit der Gesetzgebungs- und Verwaltungsarbeit, die Durchführung von Volksabstimmungen über Grundsatzfragen und Alternativvorschläge sowie die Einsetzung von Ombudsmännern.

Von 1970 datiert eine weiter ausgreifende Standortbestimmung. Das Anliegen der Staatsreform tritt darin hinter das Ziel einer Neugestaltung des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft zurück. Unter dem Eindruck einer gewaltigen Steigerung der menschlichen Gestaltungsmöglichkeiten in Wirtschaft, Technik, Wissenschaft und Kunst und unter Berufung auf den „Protest einer wachen Jugend“ wird die Erweiterung des Freiheitsraumes zum obersten Prinzip erklärt, und zwar für alle. Dieser Freiheitsgewinn äussert sich einerseits in der Selbstbestimmung, an­derseits in der Mitbestimmung. So hat der Staat dem einzelnen eine möglichst freie Entfaltung zu gewährleisten, zugleich aber sollen Staat und Wirtschaft transparent und durch die Beteiligung aller Schichten gestaltbar werden. Zur Befreiung des Schwachen und Benachteiligten ist die Freiheit des wirtschaftlich Starken zu beschränken. 

Aufgrund dieser „Ideologie“, die als „zeitgemässer Liberalismus“ deklariert wurde, erhob das Team in seiner Standortbestimmung von 1970 eine ganze Reihe von materiellen Reformpostulaten. die es später in den Plattformen für die Natio­nalratswahlen von 1971 und für die Gross- und Verfassungsratswahlen von 1973 noch ergänzte und erweiterte. 1971 distanzierte es sich grundsätzlich von den traditio­nellen bürgerlichen Parteien, bekannte sich zu einer „Linkspolitik“, welche die be­stehenden Strukturen zu verändern trachte, und erklärte sogar, echter Liberalismus und Neue Linke seien keine unversöhnlichen Gegensätze; gleichzeitig nahm es aber mit seiner Ausrichtung auf soziale Reformen von einem klassenkämpferischen Marxismus Abstand. Damit ordnete es sich in den Kreis der linksliberalen Gruppen ein. Die innenpolitischen Schwerpunkte des Reformenkatalogs des Team liegen im Bildungswesen, in der Sozialpolitik sowie in der Boden- und Umweltfrage. Sie zeigen grosse Ähnlichkeit mit den Postulaten des Jungen Bern. Im einzelnen lässt die Aargauer Gruppe vielleicht etwas mehr jugendliche Dynamik und Kreativität erkennen als ihre älteren und bedächtigeren Berner Gesinnungsgenossen. 

Auch das Team 67 erwartet von der Bildung einerseits die Emanzipation des Menschen zur Mündigkeit und anderseits seine Erziehung zur Zusammenarbeit. Besonderes Gewicht legt es ferner auf die Entfaltung der Phantasie, auf die Entwicklung der Bereitschaft und Fähigkeit, sich im immer rascheren Wandel der Verhältnisse zurechtzufinden. Zur Verwirklichung einer realen Chancengleichheit werden der Ausbau leistungsfreier Vorschuleinrichtungen, eine mindestens räumliche Zusammenfassung aller Schultypen in einer Gesamtschule, die Konzentration der Arbeiten im Schulhaus, eine institutionalisierte Einbeziehung der Eltern sowie eine Verlängerung der Schulpflicht auf zehn Jahre unter Einbau einer breiten Berufswahlorientierung vorgeschlagen; das Team hat auch die Studienfinanzierungsinitiative nach dem Lausanner Modell unterstützt. Auf sozialpolitischem Gebiet hat es sich für eine Mitbestimmung am Arbeitsplatz, in den Bildungsanstalten und im Mietwesen, für politische Rechte der Ausländer in Gemeinde und Kanton, für die zivil- und arbeitsrechtliche Gleichstellung der Frau, ferner für die Umgestaltung des Strafvollzugs zum psychischen und sozialen Heilungsprozess eingesetzt. Forderungen nach der Bereitstellung von Abenteuerspielplätzen, nach staatlichen Beiträgen an Personen, welche alte und kranke Angehörige aufnehmen, oder nach Abschaffung der Anrede „Fräulein“ zeigen, wie das Team auch weniger beachteten Bedürfnissen politische Relevanz beimisst. In der Bodenfrage dringt es auf die Wegsteuerung von spekulativen Grundstückgewinnen und auf ein Vorkaufsrecht der öffentlichen Hand; in einer Volksinitiative hat es zudem den Einsatz der Gelder der Kantonalbank für den Aufbau der Infrastruktur und einen von sachkundiger Planung geleiteten Wohnungsbau verlangt. Die Umweltproblematik stellt es in engen Zusammenhang mit der Inflation des Verbrauches; deshalb befürwortet es nicht nur Sondersteuern zur Behebung der Schäden, sondern wendet sich zugleich gegen eine aufgeblühte Produktion und eine anheizende Werbung“. Im Sinne einer „gerechten Umverteilung“ der hinkommen und Vermögen hat es sich ausserdem für eine Reichtums- und eine Luxussteuer ausgesprochen. 

Anlässlich der Nationalratswahlen 1971 trat das Team 67 auch mit aussenpolitischen Postulaten hervor, die wiederum eine nahe Verwandtschaft mit den Vorstellungen des Jungen Bern oder auch der Jungen CVP zeigen. Neben einem Beitritt zur UNO und einer aktiven Mitarbeit an der europäischenIntegration stellte es die Förderung der Friedensforschung und Massnahmen zugunsten der Entwicklungsländer in den Vordergrund. Es schlug nicht nur finanzielle Hilfe und wirtschaftliche Erleichterungen, sondern auch die Ausarbeitung „humaner politischer Modelle“für Entwicklungsstaaten vor und ausserdem die Anerkennung von aktiver Entwicklungshilfe als einem Zivildienst, dessen Gleichstellung mit dem Militärdienst es im übrigen fordert. Die Initiative für ein Waffenausfuhrverbot wurde vom Team schon bei der Unterschriftensammlung unterstützt.

 

4. Tätigkeit

Wie beim jungen Bern stand beim Team 67 seit seiner Gründung die Bewerbung um Sitze in legislativen und exekutiven Gremien im Vordergrund. Nach dem enttäuschenden Start bei den Nationalratswahlen von 1967, welcher der mit der FDP verbündeten neuen Gruppe immerhin den seither nicht mehr erreichten Anteil von 4 Prozent der kantonalen Stimmen einbrachte, gewann das Team 1969 3 von 200 Grossratsmandaten und einen Achtungserfolg für seinen Regierungskandidaten. Bei den eidgenössischen Wahlen von 1971 wurden Kandidaten für beide Räte nominiert, für den Nationalrat diesmal in Listenverbindung mit dem Landesring der Unabhän­gigen, der Evangelischen Volkspartei und der regionalen Gruppe „Freie Stimmberechtigte“; bei der Sitzverteilung kam jedoch allein der Landesring zum Zug. An den Gross- und Verfassungsratswahlen von 1973 gelang nur noch die Besetzung von je 2 (von 200) Mandaten. Seit 1969 bewirbt sich das Team aber auch um Sitze in den Lokalparlamenten; mit wechselndem Erfolg hält es sich in einem halben Dutzend solcher Einwohnerräte; in Baden verfügt es seit 1973 über 3 von 50 Mandaten. Wie das Junge Bern hat es die Erfahrung gemacht, dass es für eine bloss punktuell verbreitete Gruppe schwierig ist, bei Wahlen, die über den lokalen Raum hinausgehen, Anhänger zu mobilisieren. 

Das Team 67 hat aber wiederholt betont, dass es nicht politische Machtpositionen erstrebe, sondern Impulse, Denkanstösse geben wolle. „Wer unsere Ideen stiehlt und verwirklicht, ist unser Freund“, heisst es in der Standortbestimmung von 1970. So wird besonderer Wert darauf gelegt, noch ungewohnte Themen und Postulate aufzugreifen, die dann oft mit der Zeit allgemeinere Verbreitung finden, wodurch sich die Gruppe veranlasst fühlt, sich wieder nach etwas Neuem umzusehen. Trotzdem macht das Team relativ selten vom Mittel der Initiative Gebrauch; wie das Junge Bern zieht es den weniger aufwendigen parlamentarischen Weg vor. Es nimmt aber regelmässig zu den eidgenössischen und kantonalen Abstimmungsvorlagen Stellung und lässt es dabei seinerseits an Nonkonformismus nicht fehlen: wie das Junge Bern hat es 1972 die Volkspensionsinitiative der PdA befürwortet. 

Schon im ersten Wahlkampf von 1967 zeichnete sich das Team durch unkonventionelle Methoden aus: Wahlveranstaltungen mit Beatmusik und Kabarett, Fahrten mit einem gemieteten Mini-Eisenbahnzug auf Lokalbahnstrecken, Auftreten des mit einem führenden Mitglied verschwägerten deutschen Dichters Günter Grass. Mit ähnlichen Mitteln wurde auch später die Aufmerksamkeit der Wähler zu erregen versucht; die bescheidenen Finanzen der Gruppe und die Zurückhaltung der regionalen Presse in den meisten Bezirken des Kantons erlaubten nur einen beschränkten Einsatz auf einem üblicheren Wege. Immerhin wird der Verteilung von Flugblättern, der Herausgabe von Bulletins und der Durchführung von Diskussionsanlässen einige Bedeutung zugemessen. Anderseits schenkt man der Schulung der Kandidaten in besonderen Kursen, die allen Mitgliedern und Sympathisanten offenstehen, Aufmerksamkeit. 

Nach dem Misserfolg in den kantonalen Wahlen von 1973 hat das Team 67 seine Tätigkeit starker auf die kommunale Politik verlagert. Es wurde das Stichwort „Demokratie an der Basis“ ausgegeben und auf das Phänomen der Bürgerinitiative in Westdeutschland hingewiesen. Zugleich wurde vermehrt ein Stil entwickelt, der gelegentlich an die Praxis extremerer Gruppen erinnert. Das Team 67 arbeitet gern mit überraschenden Aktionen, die des Symbolgehalts nicht entbehren. So hat die Ortsgruppe von Wettingen 1973 zur Propagierung ihrer Forderung nach Spielplätzen eine Wiese „besetzt“ und ein Leintuch mit Aufschrift aufgehängt, um die Passanten in Diskussionen verwickeln zu können. In Brugg wurde auf den Wänden einer Bahnhofunterführung ein Malwettbewerb zum Thema „Baum“ veranstaltet. Und in Lenzburg reichte man 1972 zu den Einwohnerratswahlen, an denen sich erstmals auch die Frauen beteiligen durften, gleich eine reine Frauenliste ein. 

Infolge seines unkonventionellen Auftretens wird das Team 67 – im Unterschied zum Jungen Bern – in bürgerlichen Kreisen da und dort mit Unbehagen betrachtet; es wird berichtet, dass die Zugehörigkeit zum Team für die Mitglieder wie für ihre Angehörigen gelegentlich zu gesellschaftlichen Belastungen führe. Exponiert hat sich die Gruppe insbesondere dadurch, dass sie es 1968 und 1969 unternahm, die zahlreichen neuen Zirkel, die sich zur sogenannten APO (ausserparlamentarische Opposition) rechneten, zu zwei gesamtschweizerischen Treffen zu versammeln; daraus haben sich jedoch keine dauerhaften Beziehungen entwickelt. Ausserdem hat das Team 1973 in Baden mit der PdA und ausländischen Arbeitern eine gemeinsame Demonstration für den gestürzten chilenischen Präsidenten Allende organisiert. Im übrigen beschränken sich aber seine politischen Kontakte nach links auf Sozialdemokraten und Jungsozialisten. Auf lokaler Ebene, so z.B. in Aarau, hat das Team Aktionsgruppen für besondere Ziele wie Befreiung der Altstadt vom Motorfahrzeugverkehr oder Förderung von Spielplätzen gegründet. Im gesamtschweizerischen Rahmen beteiligte es sich an der Veranstaltung der erwähnten linksliberalen Tagungen.

 

5. Publikationen

Die vervielfältigten Statuten datieren von 1968 und enthalten die 1973 vorgenommenen Änderungen noch nicht.

Ziele des Team 67 (1968, vervielf.).

Ziele des Team 67, 1970 (vervielf.).

Team-Rotbuch. Denkanstösse fur die Schweiz von morgen. Team-Anstiftung zur

Unruhe, 2. Aufl., Baden 1971.

Bis 1971 erschienen mehrere Nummern des Teampolit (vervielf.). Seit 1971 erscheint:

Team Info. Informationen des Team 67 (in unregelmässigen Abständen von 1 bis mehreren Monaten).

Quelle: Peter Gilg; Jugendliches Drängen in der schweizerischen Politik; Struktur, Ziele und Aktionsformen von politischen Gruppierungen der jungen Generation; Francke Verlag Bern, 1974, Reihe: Helvetica politica, Series B : 9; VIII. TEAM 67, S. 90 ff.

 

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