Wer integriert sich bei wem – und wie?

Wer integriert sich bei wem – und wie?

Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in Baden und Integrationsmassnahmen

„Der Ausländeranteil steigt und muss dringend begrenzt werden!“ Dies suggerieren die SVP und der rechte Flügel der FDP in gesamtschweizerischen Kampagnen. Doch ein Blick auf die Resultate der letzten Volkszählung zeigt, dass zumindest in Baden der Ausländeranteil in den letzten 35 Jahren stark abgenommen hat [1]:

  • Die Gesamtbevölkerung nahm zwischen 1970 und 2000 um 15% zu.
  • Die Schweizer Wohnbevölkerung nahm um 25% zu, die ausländische um 7% ab.
  • 1970 betrug der Ausländeranteil 31%, 2000 noch 25%.

„Okay, aber früher kamen die Ausländer aus den Nachbarländern und integrierten sich leicht. Die heutigen Ausländer kommen aus immer exotischeren Ländern. Ihre Mentalität verträgt sich viel schlechter mit der Unsrigen!“ Auch diese viel gehörte Aussage wird durch die Statistik nur teilweise bestätigt [1]:

Der Anteil von aussereuropäischen Einwanderern (Asien, Afrika, Amerika) hat sich zwar versechsfacht, beträgt aber immer noch nur 12%. Der Anteil aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei hat sich auf 30% fast verdoppelt und stellt zum Teil aufgrund kultureller und religiöser Unterschiede eine Herausforderung für die Integration dar. Andrerseits wuchs aber auch der Anteil der Deutschen von 11 auf 18%. Alle Nachbarländer zusammen haben ihren Anteil von knapp 70 auf gut 30% halbiert. Dabei hat sich vor allem jener der Italiener von über 50 auf weniger als 20% verringert, in absoluten Zahlen von 2218 auf 761. Dies ist wohl nur zum kleineren Teil auf Rückwanderung, zum grösseren Teil auf Einbürgerung der ehemaligen Ausländer zurückzuführen, was eine der höchsten Stufen der Integration darstellt.

Wie kann die Integration der ausländischen Wohnbevölkerung gefördert werden? Nicht alle Einwanderer bringen die gleichen Voraussetzungen mit. In ausländisch-schweizerischen Mischehen findet die Integration durch die Familie und den Freundeskreis des Schweizer Partners automatisch statt. Wer hingegen alleine oder mit Familie einwandert, sucht zuerst bei niedergelassenen Landsleuten Anschluss und hat weniger bis gar keinen Kontakt zu Schweizern.

Unverzichtbare Voraussetzung für Integration ist die Beherrschung der deutschen Sprache. An Kinder muss sie in der Schule früh durch entsprechende Stützkurse vermittelt werden. Aber auch Erwachsene brauchen Unterricht. Je mehr Zeit und Geld sie zur Verfügung haben, desto einfacher ist es für sie, sich die nötige Weiterbildung eigenverantwortlich zu organisieren. Kinderreichen Hilfsarbeiterpaaren fehlen aber dazu die Ressourcen. Staatliche Unterstützung ist in diesem Fall gut investiertes Geld.

Über Freizeitaktivitäten kann die Integration spielerisch erfolgen. Jugendorganisationen und Sportvereine leisten hier Grossartiges, oft durch ehrenamtliche Mitarbeiter.

Politisch wird den 25% der ausländischen Bevölkerung die Integration aber vollständig verwehrt. Sie leisten steuerlich zwar den vollen Beitrag, dürfen aber über die Verwendung dieses Geldes nicht mitbestimmen. Sie haben kein Mitspracherecht bei der Entwicklung der Stadt, in der sie wohnen. Sie sind unmündig wie Kinder. Quartiervereine können diese Lücke ein Stück weit schliessen, wie im separaten Artikel beschrieben. Doch man könnte viel weiter gehen:

  • Stimm- und Wahlrecht für niedergelassene Ausländer. Andere Kantone haben damit gute Erfahrungen gemacht. Wer hier lebt und mitbezahlt, soll mitreden dürfen; Vereinsmitglieder und Aktionäre müssen auch nicht 12 Jahre auf ihr Mitbestimmungsrecht warten. Die Trennung der politischen Rechte vom Bürgerrecht hätte zudem den Vorteil, dass man das Bürgerrecht und die Kriterien zu seiner Erlangung endlich einmal grundsätzlich definieren müsste. Schweizer sein ist mehr als ein roter Reisepass und die Erlaubnis, am Sonntag abstimmen zu dürfen. Doch was macht einen Schweizer wirklich aus?
  • Gemeinnütziger Dienst für alle statt Militär nur für Schweizer Männer. So hätten alle jungen Menschen, die hier die Schule besuchen durften und hier ihre Zukunft planen, die Möglichkeit, der Allgemeinheit etwas zurückzugeben.

Wenn die Diskussion erst einmal entkrampft ist, sind den Ideen keine Grenzen mehr gesetzt!

[1] Volkszählung 2000: Wichtige Resultate für die Stadt Baden. Die Broschüre wurde letztes Jahr an alle Haushaltungen in der Stadt Baden verteilt. Die wichtigsten Resultate können auch online über www.volkszaehlung.ch eingesehen werden.

Peter Häfliger wohnt seit zwei Jahren in Dättwil und ist mit einer Südamerikanerin verheiratet. Aufgewachsen ist er in Wettingen, wo er von 1998 – 2001 dem Einwohnerrat und der gemeinderätlichen Einbürgerungskommission angehörte.

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